Sportcamp für Prothesenträger

Eine Sportveranstaltung der besonderen Art erlebten die Teilnehmer des Sportcamps für Menschen mit Beinprothesen vom 19.-20.09.2014 in Dießen am Ammersee. Die Firma Pohlig Orthopädie-Technik organisierte gemeinsam mit Michaela Bienert, selbst Betroffene und Vorsitzende der Selbsthilfegruppe „Prothesenbewegung“ aus Landsberg, dieses besondere Event nahe München.
Der Sportverein MTV Dießen stellte das Sportgelände und die notwendigen Räumlichkeiten zur Verfügung. Insgesamt 44 sportambitionierte Menschen mit unterschiedlichem Amputationsniveau – teilweise sogar beidseitig mit Beinprothesen versorgt – nutzten an diesem Wochenende die Gelegenheit, verschiedene Sportarten unter professioneller Anleitung auszuprobieren.
Das bunt gemischte Publikum im Alter zwischen 6 und 75 Jahren harmonierte prächtig und wurde schon am Freitag mit strahlendem Sonnenschein belohnt.Höhepunkt der Veranstaltung war das Laufen mit einer oder sogar zwei Sportprothesen.
Die Teilnehmer wurden durch die betreuenden Orthopädietechniker-Meister aus dem Hause Pohlig je nach Bedarf mit individuell angepassten Sport-Kniegelenken und Carbon-Lauffedern ausgestattet.

Unter professioneller Anleitung des Paralympic-Goldmedaillen-Siegers und Weltrekordhalters im 100-Meterlauf Heinrich Popow sowie des Top-Leichtathleten und Juniorenweltrekordhalters im Behindertensport über 200m und 400m Felix Streng (TSV Bayer 04 Leverkusen), wurden die Läuferinnen und Läufer von Schritt zu Schritt sicherer. Tatkräftige Unterstützung bekamen sie dabei von dem Physiotherapeutinnen-Team der Pohlig GmbH. Vielen Teilnehmern eröffnete sich hierdurch die Möglichkeit, erstmals nach der Amputation wieder mit Beinprothesen zu laufen und ein ganz neues Bewegungsgefühl zu erfahren. Der Andrang war entsprechend groß und die Begeisterung und Freude stand den Teilnehmern buchstäblich ins Gesicht geschrieben.

Sämtliche weitere Sportstationen waren ebenfalls ausgelastet. Hier konnten verschiedene Möglichkeiten und Grenzen der körperlichen Betätigung getestet werden. Unter intensiver Betreuung erhielten die Teilnehmer Trainingstipps für einen besseren Bewegungsablauf im Alltag und Empfehlungen zu Sportarten, die trotz Prothese möglich sind:

Fahrradfahren – Tino Käßner, ehemaliger Bahnradrennfahrer und professioneller Bikeguide konnte nach seiner Verletzung, die zum Verlust seines rechten Unterschenkels führte, durch den Sport in seinem Leben wieder „Fuß fassen“. Er erläuterte den Interessenten wie ein Fahrrad am besten „prothesentauglich“ gemacht wird. Anschließend wurden gemeinsame Radtouren in der Gruppe unternommen. Wer noch unsicher war, konnte auf einem stationären Fahrradtrainer oder einem Liegerad erste Eindrücke sammeln.

Tischtennis – Erwin König, Paralympic-Teilnehmer im Tischtennis-Sport zeigte, dass er mit über 70 Jahren und mit einer Oberschenkelprothese durchaus selbst deutlich jüngere Gegner beim Match auf die Ihre Plätze verweisen kann. „Tischtennis“, sagt er, „ist ein hervorragendes Konzentrations-, Reaktions- und Gleichgewichttraining, von dem man gerade mit solch einem Handicap enorm profitieren kann.“

Karate – Richard Schalch, 1. Vorstand und leitender Trainer der Karateschule Traunreut, Andrea Nowak, mehrfache deutsche Meisterin im Karate-Behindertensport sowie der oberschenkelamputierte Miroslav Rakic lehrten spannende Reaktions-, Dehn- und Fallübungen und zeigten, wie spektakulär und fair zugleich ein Karatekampf sein kann.

Bogenschießen – Vanessa Bui, deutsche Meisterin im Para-Bogensport und ihr Trainer Roland Graf, beide Vereinsmitglieder der Bogenschützen Fürstenfeldbruck, vermittelten mit ihrer freundlichen und ruhigen Art die Kunst der absoluten Konzentration beim Bogenschießen. Auch von dieser Sportart können Prothesenträger in Bezug auf Körperspannung und Körperhaltung enorm profitieren.

Nordic Walking – Winfried Reischmann, selbst beinamputiert, ist lizensierter Nordic Walking Trainer und organisiert in seiner Freizeit regelmäßig Nordic Walking Treffen für Beinprothesenträger. Er verstand es prima, die Teilnehmer zu motivieren und ihnen den schonenden Ganzkörper-Trainingseffekt dieser Sportart schmackhaft zu machen.

Gehschule – Die Grundlagen des korrekten Gehens mit Prothese lernte man bei Martin Troglauer, Physiotherapeut und Gehschultrainer aus München. Er beobachtete das Gangbild der Teilnehmer, gab Tipps und bewirkte oftmals schon mit kleinen Korrekturen und Übungen ein leichteres und sichereres Gehen mit den Beinprothesen.

Das äußerst engagierte Personal der Sportgaststätte hielt die Sportbegeisterten mit reichhaltigem Mittag- und Abendessen bei Kraft und Laune.Nach zwei äußerst ereignisreichen Tagen in Dießen waren sich alle Beteiligten einig:
„Das Sportcamp für Prothesenträger 2014 war ein voller Erfolg!“